Anderssein

Passend zum Wochenende möchte ich heute einen Text veröffentlichen, den ich vor einigen Jahren noch in meiner Zeit als Fußgängerin geschrieben habe. Ich erinnere mich noch sehr gut an diese besagte Nacht und an die Gefühle, die mich damals so bewegten. Auch wenn der Text eher schwermütig ist, schildert er doch sehr schön, meinen Schmerz und die tiefe Sehnsucht danach Eins zu sein mit mir selbst und mit anderen.

Im gedämmten und schummerigen Licht des Nachtclubs beobachte ich die tanzenden Gestalten. Die meisten von Ihnen haben durchtrainierte, wohlgeformte und scheinbar makellose Körper. Sie bewegen sich rhythmisch und mit verschwenderischer Leichtigkeit zum Klang der Musik. Mit ihren fließenden und kraftvollen Bewegungen verleihen sie ihren Gefühlen auf spielerische Weise Ausdruck. Die Frauen machen dabei selbst auf hochhackigen Schuhen eine gute Figur und ziehen die Blicke mit eleganten und aufreizenden Bewegungen auf sich. Selbstbewusst spielen sie mit Ihrer Außenwirkung, um Sinne zu verzaubern, Sehnsüchte zu wecken und Neider erblassen zu lassen.

Die Musik ist so laut, dass der Bass meinen Herzschlag kontrolliert. Ich lehne betont lässig gegen das Geländer der Treppe, welches mir einen gesicherten Blick auf die Tanzfläche verschafft. Immer wieder schaue ich unsicher umher, jederzeit gefasst auf eine Gefahr, die mich von den Füßen holen oder aus dem Gleichgewicht bringen könnte.

Verstohlen ziehe ich an meiner Zigarette. Umgeben von all diesen feiernden Menschen fühle ich mich allein und so gänzlich anders. Meine Lebendigkeit, meine Leichtigkeit, meine Liebe zum Leben sind gefangen in diesem morbiden Körper und finden keinen Weg nach draußen.

Wie paralysiert beobachte ich dieses Schauspiel mit seinen bizarren Akteuren – wie sich ihre Körper annähern, aufreizen, fast miteinander verschmelzen, um sich dann doch wieder zu trennen, damit der Kreislauf von neuem beginnen kann. Die Tanzenden bewegen sich wie im Rausch, verfallen in Ekstase und werden Eins miteinander.

Als der Rhythmus der Musik endlich seinen Höhepunkt erreicht, kippe ich meinen Jägermeister herunter – das Gefühl von Andersartigkeit und Getrenntsein schwindet im dumpfen Nebel des Rausches, bis ich meinen eigenen Körper nicht mehr spüre und endlich Leichtigkeit empfinde.

3 Comments

  • Ellen

    Liebe Nina!
    Dein ausführlicher Bericht zu deinem Besuch in einem Nachtclub las ich und er berührte mich sehr. Du machst deutlich durch die Beschreibung deiner Beobachtungen, wie äußerlich das Leben sein kann. Alles ist auf eine gute Aussenwirkung angelegt. Natürlich möchte man als junger Mensch mitmachen können, frei tanzen können, sich bewegen können ohne darüber nachzudenken.
    All das war dir verwehrt und das tut weh.
    Aber ich erinnere mich zurück an Partys, auf denen ich mich auch ganz unwohl fühlte, das Gefühl hatte, hier gehöre ich nicht dazu, nämlich dann wenn es für mein Gefühl um zu viele Äußerlichkeiten ging und ich mich dann am Ende innerlich leer gefühlt habe. Wenn ich das Gefühl hatte hier will keiner wissen was einen tief im Inneren bewegt, sondern jeder stellt sich auf seine Weise zur Schau.
    Ja, ich verstehe dein Gefühl ausgeschlossen zu sein von so Vielem und es wird dich immer wieder schmerzen. Das kann dir keiner wegnehmen.
    Aber du allein kannst immer mehr deine ganz eigenen Schätze entdecken. Du hast eine große innere Stärke, die dir die Kraft gibt deinen Weg so zu gehen, wie du es tust. Das wird nicht jeder so meistern können, wie du es schaffst.
    Du bist mit deinen Sinnen so feinspürend, das ist eine große Begabung. Du bist in deiner tiefgründigen Art und mit deinem Vermögen wirklich zuzuhören bestimmt für andere eine ganz besonders wichtige Wegbegleiterin.
    Versuche dir aus dem Reigen der Möglichkeiten die du ergreifen kannst, all das herauszupicken, was dein Herz erfreut.
    Dein Alltag ist schwer, weil alles was zum Täglichen gehört anstrengend ist, aber das was dir Freude macht sollte für dich an erster Stelle stehen. Wie schön, dass du mit dem Schreiben begonnen hast! Du kannst viele Menschen auf diese Weise mit hineinnehmen in dein Leben und bestimmt anderen Betroffenen Mut machen. Da denke ich zum Beispiel an deine Fernreisen. Vielleicht werden sich dann auch andere trauen und auf deinen Spuren reisen!
    Für heute umarme ich dich herzlich deine Ellen

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