Atemstörungen und NIV-Beatmung

Im Rahmen des fortschreitenden Verlaufs der Muskeldystrophie kam es bei mir 2010 erstmals zu Symptomen, die auf eine Schwächung meiner Atemmuskulatur schließen ließen.

Es begann mit recht unspektakulären Symptomen, wie unruhige Nächten mit Alpträumen und Durchschlafschwierigkeiten, sowie morgendlichen Kopfschmerzen. Ich schenkte diesen Beschwerden zunächst keine besondere Aufmerksamkeit. Jeder hat mal eine schlechte Nacht, dachte ich, Zähne zusammenbeißen und durch. Die Abgeschlagenheit, die wiederkehrenden Kopfschmerzen und meine Gereiztheit schob ich auf meinen Zyklus oder aufs Wetter.

Und es blieb nicht bei ein paar schlechten Nächten – mein Schlafbenefit verschlechterte sich zunehmend und dass trotz einer für meine Altersgruppe angemessenen Schlafdauer von 8-9 Stunden pro Nacht. Morgens fühlte ich mich wie gerädert, erschöpft und war entsprechend dünnhäutig und schnell überfordert. Immer häufiger schlief ich tagsüber einfach ein – Meditieren, ein Buch lesen oder einfach entspannt in der Badewanne liegen war quasi unmöglich, ohne dabei einzunicken. Selbst auf der Arbeit fiel es mir schwer mich zu konzentrieren und meine gewohnten Leistungen zu erbringen. Wenn Teamsitzungen anstanden, ging ich währenddessen mehrmals aufs Klo und ließ mir kaltes Wasser über die Hände laufen, um mich wach zu halten und nicht vor versammelter Mannschaft einzuschlafen. 

Wirklich stutzig wurde ich jedoch erst, als ich mich, während einer morgendlichen Gassi Runde mit meiner Assistenzhündin Emily plötzlich in einer Blumenhecke wiederfand. Während der Spazierfahrt mit meinem Rollstuhl war ich scheinbar kurz eingenickt und dadurch vom Weg abgekommen und in eine Hecke reingefahren, die die Straße säumte. Gott sei Dank war nichts Schlimmeres passiert und niemand war verletzt worden. Trotzdem saß der Schock tief – ich betrachtete diesen Zwischenfall als Warnschuss, der mir klar machte, ich muss etwas unternehmen. Das war eine neue Qualität von Erschöpfung und Einschlafneigung, die mir Angst machten und ich wollte um keinen Preis riskieren, dass sich solch ein Ereignis wiederholt (und dann im schlimmsten Fall beim Autofahren).

Also vereinbarte ich einen Termin in der Lungenklinik in Merheim, im Zentrum für Schlaf- und Beatmungsmedizin und schilderte dort, was ich in den vergangenen Monaten erlebt hatte. Der Pneumologe erklärte mir das meine Beschwerden auf eine Atemfunktionsstörung (Respiratorische Insuffizienz) hindeuteten und das dies nicht untypisch für Patienten mit Muskeldystrophie sei. Ich verstand nicht was er damit meinte – meine Lunge war doch kern gesund. Ich bekam gut Luft, hatte keine Atemnot und war auch insgesamt selten krank. Wie konnte er also von einer Atemstörung ausgehen?


Die gesunde Atmung

Unser Atemsystem besteht aus zwei verschiedenen Systemen mit unterschiedlichen Aufgaben. Einerseits aus dem gasaustauschenden System, besser bekannt als unsere Lunge. Die wichtigste Funktion der Lunge ist es den Gasaustausch sicherzustellen, also das Blut und damit unseren Körper mit Sauerstoff (O2) aus der Atemluft zu versorgen. In den Zellen wird der Sauerstoff in Stoffwechselvorgängen verbraucht, es entsteht Kohlendioxid (CO2) als Abfallprodukt. Das Kohlendioxid wiederum gelangt über das Blut zurück zur Lunge und wird dort an die Umwelt abgeatmet. Der Gasaustausch zwischen Blut und Luft erfolgt über die Membran der Lungenbläschen. 

Andererseits aus dem ventilierenden System, auch als Atempumpe bekannt, welche für den Vorgang der Atmung, die Ventilation in Form von Einatmung und Ausatmung zuständig ist.

Zu den wesentlichen Muskeln, die für die Atmung zuständig sind, gehören:

  • das Zwerchfell,
  • die Zwischenrippenmuskeln,
  • die Bauchmuskeln,
  • die Muskulatur des Schultergürtels und des Halses (Atemhilfsmuskulatur)

Atemstörung

Bei einer Atemstörung kommt es zu einer Schwächung der Atemmuskulatur, die zu einer Atemfunktionsstörung führen kann, z.B. wie in meinem Fall der Respiratorische Insuffizienz. Durch die geschwächte Muskulatur verfügt die Atempumpe nicht mehr über ausreichend Kraft, um einerseits genügend Sauerstoff einzuatmen und andererseits ausreichend verbrauchte Luft in Form von Kohlendioxid (CO2) wieder auszuatmen.

Genau wie es bei mir der Fall war, macht sich die Atemmuskelschwäche bei den meisten Betroffenen zuerst im Schlaf bemerkbar, indem der Sauerstoffgehalt im Blut abnimmt (Hypoxämie) und der Kohlendioxidgehalt ansteigt (Hyperkapnie). Um sich vor den Folgen der Unterbeatmung zu schützen verhindert der Körper den Tiefschlaf, was zu Häufigem aufwachen, unruhigem und nicht erholsamen Schlaf führt. Wenn wundert es da, dass man tagsüber schläfrig und müde ist und dazu neigt einzuschlafen.

Wichtig zu sagen ist, dass die Atemfunktionsstörung keine Erkrankung der Lunge ist, sondern eine Störung der Atemmuskelfunktion. Diese Unterscheidung ist wesentlich für die Behandlung. Während bei einer Störung des Gasaustausches in der Lunge die Gabe von Sauerstoff ausreichend ist, muss bei einer respiratorischen Insuffizienz eine Beatmungstherapie begonnen werden. 


Diagnostik

Um den Verdacht auf respiratorische Ateminsuffizienz abzuklären, wurden bei mir im Anschluss an das Arztgespräch zahlreiche Untersuchen zur Diagnostik durchgeführt. Dazu gehörten z.B. die Überprüfung der Lungenfunktion, denn eine Atemstörung ist häufig verbunden mit einer Verminderung der Vitalkapazität der Lunge. Die Vitalkapazität bezeichnet das Lungenvolumen zwischen maximaler Einatmung und maximaler Ausatmung. Zusätzlich kann an spezialisierten Zentren auch die Atemmuskelkraft gemessen werden.

Ferner wurden Blutgasanalysen vorgenommen, um zu untersuchen, ob der Körper ausreichend Sauerstoff aufnehmen kann und ob ausreichend verbrauchte Luft in Form von CO2 abgeatmet werden kann.

 Zudem verbrachte ich einige Nächte in einem Schlaflabor, um meinen Nachtschlaf durch eine Polysomnographie untersuchen zu lassen. 


Beatmet leben

Nicht-invasive Beatmung mit verschiedenen Nasenmasken

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